EUROPATAG: Am Litauischen Gymnasium und drei Europaschulen

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Die Schüler von der Alexander-von-Humboldt-Schule in Viernheim hatten sich mit der Flüchtlingspolitik der Europäischen Union befasst. Foto: Hannelore Nowacki

HÜTTENFELD – Um Europa und die Europäische Union ging es am Mittwochabend im Litauischen Gymnasium bei der gemeinsamen Veranstaltung des Kreises Bergstraße mit der überparteilichen Europa-Union Bergstraße, den Europaschulen im Kreis und dem Litauischen Gymnasium zum bundesweiten Europatag und der Europawoche. Das Musikensemble und eine junge Sängerin der Schule mit einem Lied in litauischer Sprache stimmten die Gäste und Mitwirkenden auf den Abend ein. Rasa Weiß, Schulleiterin des Litauischen Gymnasiums, begrüßte die Gäste und informierte über den Ablauf des Abends. Beiträge der Alexander-von-Humboldt-Schule in Viernheim, des Goethegymnasiums in Bensheim, des Lessing-Gymnasiums Lampertheim und des Litauischen Gymnasiums standen auf dem Programm. Die alljährliche, bundesweite Europawoche fand in diesem Jahr vom 30. April bis zum 9. Mai statt. In den drei Europaschulen im Kreis Bergstraße und im Litauischen Gymnasium wurde am Leitthema „Wie wird DAS Europa zu MEINEM Europa?“ in den Leistungskursen des Unterrichtsfachs Politik und Wirtschaft (PoWI) gearbeitet, unterstützt von  der Jugendorganisation der Jungen Europäischen Föderalisten (JEF). Unter den Zuschauern waren Schulleitungen, Lehrkräfte und Schüler der beteiligten Schulen, der Erste Stadtrat Marius Schmidt und Stadtverordnetenvorsteher Franz Korb als Vertreter der Stadt Lampertheim und Landrat Christian Engelhardt nahmen teil. Als besondere Gäste waren der Botschafter Litauens in der Bundesrepublik Deutschland, Ramūnas Misiulis und der Landrat des mit dem Kreis Bergstraße verschwisterten litauischen Kreises Kaunas, Valerijus Makunas, eingeladen. Die beiden Landräte stellten sich im Anschluss an die Präsentationen in einer Interviewrunde den Schülerfragen. Der Botschafter Litauens in Deutschland erinnerte in seiner auf Deutsch gehaltenen Rede an die Gründung des Litauischen Gymnasiums in Hüttenfeld im Jahr 1950 durch Exil-Litauer, das zu einem Zentrum des litauischen Selbstbewusstseins und der Kultur geworden sei. „Heute sind wir wieder frei, heute sind wir Europa“, sagte er mit Blick auf die Zugehörigkeit Litauens zur Sowjetunion bis zur Unabhängigkeit vor über dreißig Jahren. „Für mich ist Europa Demokratie, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Gleichheit und noch viel mehr“, erklärte der Botschafter und stellte sogleich die Frage in den Raum: „Ist unser Europa schon vollkommen?“ Vor einem Jahr sei er nach Deutschland gekommen, vier Jahre habe er in Kiew gearbeitet. Werte wie Freiheit und Demokratie seien nicht a priori gesichert und garantiert, davon habe er sich überzeugen können. Die Ukraine habe sich entschieden, für Europa und ihre Zukunft zu kämpfen. „Die Ukraine muss von uns bekommen, was sie braucht“, betonte der Botschafter, die Ukraine gehöre zu Europa. An die beiden Landräte richtete er seine Idee, Kreis- und Städtepartnerschaften als europäisches Netzwerk für den Wiederaufbau nach dem Krieg zu einzusetzen und formulierte seinen Auftrag weiter aus: „Das ist für Sie eine kleine Hausaufgabe“.  

Was junge Leute von der EU denken und erwarten 

Drei Schüler der Viernheimer Alexander-von-Humboldt-Schule, die selbst auf ihren Migrationshintergrund hinwiesen und die deutsche Flüchtlingspolitik als Meilenstein sehen, stellten in ihrer Präsentation die Flüchtlingspolitik der EU und Deutschlands in den Mittelpunkt. Mitgewirkt habe ihre gesamte 11. Klasse. Als sicherer Staat locke Deutschland viele Flüchtlinge an, die vor Krieg, Gewalt und Armut fliehen und hier auf ein besseres Leben hoffen. Drei selbst gestaltete menschliche Silhouetten symbolisierten ihre Aussagen. Vom Ist- und Soll-Zustand sprachen sie, vom Krieg in Syrien als Stellvertreterkrieg und von der russischen Invasion am 24. Februar in die Ukraine und den Flüchtlingen von dort, die viel Hilfe und Mitgefühl erhalten, weil die Ukraine so nahe an Europa sei. Ein einheitliches System zur Aufnahme der Flüchtlinge wünschen sich die Schüler in der gesamten EU, sehen aber ein Problem: 27 Staaten sollen sich einigen, aus heutiger Sicht sei dies unwahrscheinlich. Verbesserung sei nötig, die eigenen Werte würden teilweise sogar an den EU-Grenzen missachtet. 

 In der Präsentation des Bensheimer Goethe-Gymnasiums teilten sich zwei Mädchen und zwei Jungen die Rollen. Mit der Einbeziehung des Publikums hatten sie ein interaktives Format gewählt, das gut ankam. Auch ihren Mitschülern hatten sie Fragen gestellt, dokumentiert in ihrem Film. Mit Geschichte und Chancen der EU hätten sie sich auseinandergesetzt und Fragen vorbereitet, kündigten sie an. Fragen, die es in sich hatten.  Lehrer, Schüler, Landrat und weitere Gäste hatten keine Schwierigkeiten sich beispielsweise zur EU als Wertegemeinschaft zu äußern oder sich die EU in 10 Jahren vorzustellen. Doch bei Detailfragen wie zur Organisation, zur Zahl der Sitze im Europaparlament oder wann Griechenland der EU beitrat, mussten die Gefragten passen. Bei der Frage zu Reformvorschlägen hingegen ging es flott weiter. So wünschte sich Botschafter Ramūnas Misiulis mehr Effizienz, die Erweiterung der EU und Abschaffung der Einstimmigkeit. Am Schluss dann überraschte die Schülergruppe mit der Aussage: „Wir lehnen die Fragestellung ab – die Fragestellung ist das Problem“. Nach Meinung der Schüler ist dies die bessere Frage: „Wie wird DAS Europa zu UNSEREM Europa?“  

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Europa – von Schülern des Litauischen Gymnasiums  in einer Bilderreihe in Szene gesetzt.  Foto: Hannelore Nowacki 

Das Projekt im Lessing-Gymnasium Lampertheim hatte zwei PoWI-Leistungskurse mit insgesamt 26 Schülern beschäftigt. Im Publikum verfolgten Schulleiterin Silke Weimar-Ekdur, Europaschul-Koordinatorin und Fachbereichsleiterin Monika Hebbeker sowie die beiden PoWI-Lehrerinnen Kirsten Illius und Vanessa Mußler-Handschuh und Mitschüler den Beitrag.  Die Bühne betraten zwei junge Damen und ein junger Mann, die zunächst einen Überblick über die aktuelle Lage gaben, eine Zeitenwende sehen sie. Verteidigungsfähig soll die EU sein, jedoch keine eigene Armee aufstellen, sondern „das gegebene Potenzial“ ausschöpfen. Ein Europa für die Jugend ist ihnen wichtig, mit Schüleraustausch, günstigen Bahnreisen in Europa, Vereinfachung von Praktika und einen Europa-Feiertag mit Festen. Einig soll sich Europa zeigen, meinen sie, bei der Umgestaltung sei „groß denken“ angesagt. „Für ein Europa, in dem wir gut und gerne leben“ sprechen sie sich aus. In einem Rollenspiel nach Art einer Talk-Runde im Fernsehen fuhren die vier jungen Damen vom Litauischen Gymnasium alle gängigen Argumente für und wider die EU auf. Von zu wenig Nationalstaat, zu viel Regulierung und bürokratischen Diktaten, von Demokratiedefiziten war die Rede. „Das geht völlig am Thema vorbei“ kam die Gegenrede. Fazit: Politische Bildung brauche mehr Raum in der Schule. Zum Abschluss ihr Appell: „Europa wird, was wir daraus machen – packen wir es an“. Landrat Engelhardt dankte den Schülern und lobte das Konzept, das gut aufgegangen sei. Den LGL-Schülern pflichtete er bei, auf die Nato als Verteidigungsbündnis zu setzen.   Hannelore Nowacki 

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